Bericht über das vogelkundliche Seminar in Gallspach, Oberösterreich vom 25.-28.05.2006

Warum der Mauersegler nicht am Boden landen sollte, wohin das Kuckucksweibchen seine Eier am liebsten legt oder wie oft der Buchfink am Tag seine Strophe singt - diese und noch viele andere interessante und spannende Fakten wurden auf dem nun schon zu einer Tradition gewordenen vogelkundlichen Seminar in Gallspach besprochen. 
Norbert Müller organisierte für BOB (Bildung Ohne Barrieren) und mit der Unterstützung von Heinz Jaremkof dieses Seminar sowohl für geübte Vogelstimmenexperten als auch für diejenigen unter uns, die den Gesang der Vögel zwar lieben, im Erkennen der einzelnen Arten aber eher ungeübt waren.
Insgesamt 12 Vogelliebhaber trafen sich am Donnerstag Abend im Hotel Silverio und die Vorstellungsrunde zeigte, dass das Verhältnis ausgewogen war zwischen Neulingen und Fortgeschrittenen. Das von Norbert Müller und Heinz Jaremkof vorgestellte Seminarprogramm versprach uns fachlich fundierte Informationen von Vogelexperten, ein intensives Training im Erkennen von Vogelstimmen und - wenig Schlaf!
Ich hatte mich für dieses Seminar angemeldet, weil ich während meiner ausgedehnten Spaziergänge und Wanderungen mit Familie und Hund immer wieder weitaus mehr Vögel als Amseln, Kohlmeisen, Grünfinken und Mönchsgrasmücken höre, mir aber die Zuordnung von Namen bis dahin noch nicht gelang. Seit wenigen Monaten besitzen wir einen Garten in einer landschaftlich schönen Gegend, und natürlich verspüre ich das Bedürfnis zu wissen, mit welchen gefiederten Freunden wir unser Grundstück teilen! 
Also war ich ganz erpicht darauf, das Erkennen von Vögeln an ihrem Gesang bzw. ihren Rufen zu üben. 
Das Angebot unseres Seminarleiters, die in der Natur belauschten Vögel auf CDs nachzuhören, erreichte einen guten Trainingseffekt. Selbstverständlich fiel uns allen auf, dass es nicht ganz so einfach ist, einen bestimmten Vogel im vielstimmigen Gesang einer beträchtlichen Anzahl von Arten herauszuhören und so boten die gut ausgewählten Tonträger auch den ungeübten Hörern unter uns die Möglichkeit, sich den Gesang und die Rufe bestimmter Vögel einzuprägen.
Die ausgehändigten Seminarunterlagen - je nach Wunsch in Punkt- oder Schwarzschrift bzw. in elektronischer Form - stellten eine gute Ergänzung zum Seminarinhalt dar.

Leider meinte es das Wetter während des gesamten langen Wochenendes nicht gut mit uns, und so war unsere erste Morgenwanderung sehr verregnet. Wir hatten uns mit Herrn Uhl, einem ortsansässigen Ornithologen, in einem Naturschutzgebiet in Schlierbach getroffen. In diesem von Wiesen, Feldern und kleineren Waldstücken geprägten Areal konnten wir u.a. Zilpzalp, Mönchsgrasmücke, Singdrossel, Pirol, Amsel und Buchfink belauschen. Herr Uhl berichtete uns Viel Wissenswertes über die verschiedenen Vogelarten und über seine Arbeit. Leider schlug sein Versuch fehl, durch Abspielen der Rufe des Feldschwirls von CD diesen dazu zu bringen, den Eindringling in sein Revier lautstark zu vertreiben. Dafür gelang es ihm mit der gleichen Methode, den Wachtelkönig, einen stark gefährdeten Bodenbrüter zu animieren, uns seine schnarrenden Rufe zu präsentieren. 
Ich ignorierte größtenteils den Regen, verzichtete auf die Kapuze (um die Ohren freizuhalten) und versuchte, mir so viel wie möglich einzuprägen.
Die „Trainingsstunden" im Trockenen am Vormittag und Nachmittag halfen mir sehr und die Tipps von Norbert und einigen anderen Teilnehmern, wie man sich bestimmte Gesänge merken oder wodurch man sie voneinander unterscheiden kann, waren sehr hilfreich.

Die morgendliche Wanderung am zweiten Tag mussten wir leider wegen Sturm und regen absagen. Hingegen war der Besuch des vogelkundlichen Museums in Aigen-Schlägel im Mühlviertel am Nachmittag ein voller Erfolg. Herr Betz, der Museumsdirektor, führte uns auf anschauliche Weise in die unterschiedlichen Lebensräume von Vögeln ein, indem er neben seinen Beschreibungen Tonbeispiele und präparierte Vögel einsetzte. 
Vögel anzufassen, sie genau zu betrachten, ist in der Natur so gut wie nie möglich. Die Exponate, die uns Herr Betz zeigte - u.a. einen Weißstorch, einen Buntspecht und einen Rackelhan -, verdeutlichten, welche Unterschiede es in Größe und Form der Schnäbel, Schwanzfedern, Flügel und Zehen der verschiedenen Vogelarten gibt und wie die Vögel ihrer jeweiligen Lebensweise angepasst sind. 
Der Mauersegler z.B., ein schwalbenähnlicher Vogel (Er gehört zur Familie der seglerartigen Vögel) nistet von Mai bis Juli in dachstühlen oder Mauerritzen und -fugen. Unermüdlich jagt er im Flug Insekten hoch über den Dächern. Würde er jedoch einmal am Boden landen, könnte er sich von dort nicht mehr abstoßen, da seine Beine dafür viel zu kurz sind. Er würde einer Katze oder dem nächsten Auto zum Opfer fallen - ein Phänomen, das mich einigermaßen bestürzte.
Jeder weiß, dass das Kuckucksweibchen seine Eier in fremde Nester legt und sie von anderen Vögeln 
ausbrüten und die Jungen aufziehen lässt. Interessant fand ich zu erfahren, dass das Weibchen sich meist den Vogel aussucht, von dem es selbst aufgezogen worden war. Dabei handelt es sich bevorzugt um kleinere Arten, z.B. Bachstelze, Schilf- oder Teichrohrsänger. Es wird jeweils nur ein Ei in ein Nest gelegt, welches den Wirtseiern erstaunlich ähnlich sieht. Ist das Kuckucksjunge nach etwa 12 Tagen geschlüpft, befördert es die übrigen Eier oder Jungen aus dem Nest. Unersättlich fordert es die Nahrung einer ganzen Brut ein!
Wie ausdauernd manche Singvögel ihren Gesang vortragen lässt sich am Beispiel des Buchfinks erkennen, der seine Strophe 2000 bis über 4000 Mal am Tag singt. Dies bedeutet umgerechnet, dass er 16 Stunden am Tag 4 Mal in der Minute diese Strophe wiederholt.

Am Sonntag Morgen begaben wir uns dann unter der Führung von Heinz Jaremkof auf eine Wanderung rings um Gallspach, auf der wir „das Erwachen der Vögel" belauschten. Bewusst wahrzunehmen, wie die nächtliche Stille durch den Gesang des Gartenrotschwanzes beendet wurde und nach und nach die Stimmen von Singdrossel, Kohlmeise, Rotkehlchen, Amsel und Mönchsgrasmücke zu einem vielstimmigen Gesang anschwollen, war für mich ein eindrucksvolles Naturerlebnis.

In unserer letzten gemeinsamen Seminarrunde am Sonntag Vormittag erwies sich, dass wir mehr als 35 Vogelarten trotz schlechter Wetterverhältnisse an diesem Wochenende in der Natur gehört hatten. Norbert berichtete uns außerdem von einer Naturwanderwoche im Internationalen Blindenzentrum in Landschlacht in der Schweiz, an der er in diesem Frühjahr teilgenommen hatte. Bei dieser Veranstaltung sollten neben Vögeln auch andere Lebewesen in ihren natürlichen Biotopen beobachtet werden. Er stellte die Frage zur Diskussion, ob wir ein ähnliches Seminar einem reinen vogelkundlichen vorziehen würden. Wir einigten uns darauf, dass von unserer Seite aus großes Interesse daran besteht, neben den Vogelstimmen auch die vielen, oft ebenso einprägsamen und eindrucksvollen Geräusche in der Natur, wie Z.B. von Fröschen und Unken, Grillen und anderen Insekten und (leider viel zu selten wirklich zu hören) von Säugetieren, kennen zu lernen; dass solch ein Seminar jedoch eine längere Seminarzeit umfassen müsste.

Ich für meinen Teil bin von diesem Seminar mit einem merklich geschulteren, auf Vogelstimmen eingestellten Gehör nach Hause gefahren. Inzwischen habe ich fast alle Vogelarten, die ich in unserem garten und in der näheren Umgebung vernommen habe, identifizieren können:
Amsel, Singdrossel, Nachtigall, Kohlmeise, Buchfink, Fitis, Grünfink, Star, Kuckuck, Ringeltaube, Türkentaube, Mönchsgrasmücke, Fasan, Hausrotschwanz, Zilpzalp, Goldammer, Elster, Feldlerche, Rabenkrähe. Einen Nachtvogel habe ich belauscht, den ich leider bisher nicht zuordnen konnte. Ich würde mir für ein nächstes Vogelstimmen- oder naturkundliches Seminar wünschen, auf einer nächtlichen Wanderung auch diejenigen Vögel zu erleben, die zu dieser Zeit des Tages ihre Rufe äußern, da ich diese im besonderen Maße beeindruckend finde.

Ich danke im Namen aller Seminarteilnehmer Norbert für ein gut durchdachtes und abwechslungsreiches Seminar sowie Heinz Jaremkof für die Organisation und die Unterstützung während der Ausflüge sowie für die gute Unterbringung und Bewirtung in seinem Hotel.
Unser Dank gilt außerdem Herrn Uhl und Herrn Betz für ihre Bemühungen, uns die Vogelwelt auf anschauliche Art und Weise und mit ihrem Expertenfachwissen nahe zu bringen.

Cornelia Grunow