Bad Urach - immer eine Reise Wert

Das dachten sich auch 29 Teilnehmer, als sie im Rahmen des Erlebniswochenendes von BOB vom 02. bis 04.07.2010 im Hotel Flair 4 Jahreszeiten einströmten. Das neben der Fußgängerzone liegende Gebäude besitzt einen gemütlichen Innenhof, der das Wiedersehenshallo bei gefühlten 35 Grad mit kühlen Getränken sehr angenehm machte.

Nach dem gemeinsamen Essen gab der Schäfer von der Alb mal heitere, mal derbe, mal nachdenkliche Vorträge zum besten, die sich alle um die Schäfer und deren Vierbeiner drehten.

Das zwei Gehminuten entfernt liegende Grammophonmuseum befindet sich in der Klostermühle in unmittelbarer Nähe des Schlosses der Amanduskirche. Das sich noch im Betrieb befindliche Wasserrad produziert Strom für das Stadtmuseum. Das fachkundige Wissen von Herrn Geigle und seine große Leidenschaft für Grammophone ließen eindrucksvoll eine nostalgische Zeitepoche von 1850 bis heute hör- und tastbar erleben. Das wohl wertvollste Einzelstück aus dem Jahr 1902/1903 ist ein auf einem ca. 1 m hohen geschnitzten Sockel stehendes Grammophon mit philigranen Verzierungen und einem großen Blumentrichter - wohl für den damaligen Prunk. 1888 erfand Emil Berliner das Grammophon, eine Weiterentwicklung des von Charles Groß erfundenen Metallwalzensystems. Nun, Thomas Alvar Edison schmückte sich mit dessen Federn, indem er seine Patentrechte kaufte. Die für das Grammophon zunächst genutzten Wachswalzen konnten nur einmal bespielt werden. Mit einem Stahlstift wurde graviert und abgespielt, auch die Schellackplatten. Die Tiefenschrift sorgte dafür, dass es nur wenige Abnutzungserscheinungen gab. Für jede Plattenseite kam zur Schonung ein neuer Stahlstift zum Einsatz. Eine Musikbox der Firma Milz aus dem Jahre 1938 ist mit einseitig abspielbaren Schellackplatten bestückt. Ein Korb bewegt sich rauf und runter, die Platte wird nach rechts auf einen Plattenteller gelegt und nach dem Abspielen wieder zurückgeschoben. Das 1850 gebaute spanische Straßenklavier ohne Tastatur besitzt eine Klaviatur mit Hämmern. Anstelle der Tastatur befindet sich eine Stiftwalze, wie man sie aus Spieluhren und anderen klingenden Spielzeugen kennt, nur viel größer. Gleichmäßiges Kurbeln war wichtig, um den Ohren halbwegs klingende Melodien zuzumuten, ein verstimmter Honkitonk-Sound in hoher Lautstärke erfüllte den Raum. Die portable Ausführung war ca. 60 cm breit und 1 m hoch. Im weiteren waren Grammophone mit unterschiedlich großen Trichtern, meist aus Blech, zu hören und zu sehen. Edle und den Klang verbessernde Trichter wurden später aus Holz bzw. Pappmaché hergestellt. Viele Klangbeispiele ließen zwei Stunden wie im Fluge vergehen.

Da Bad Urach am Fuß der schwäbischen Alb liegt, brachte uns ein Bus zum ca. 750 m hoch gelegenen Ort Hengen. Der Duft der großen Schweinewelt - ca. 700 tummeln sich auf dem familienbetriebenen Hof - strömte uns entgegen. Von Ferkeln mit 1,5 kg bis zum Eber mit 340 kg sind alle Gewichtsklassen vertreten. Der in Rundholzbauweise gebaute Außenklimastall weist eine gleichbleibende Temperatur auf. Isolierte Schweinebeten geben im Winter den Tieren die nötige Wärme. Die Schnauze wird zur Frischluftzufuhr einfach rausgestreckt. Die Gruppenhaltung von 10 bis 30 Schweinen dient einer schonenderen Geburt. Apropos Geburt: die künstlich befruchteten, vom Eber stimulierten Sauen können 2 bis rekordverdächtige 21 überlebende Ferkel zur Welt bringen. Da bekommen die anderen Gruppenschweine auch ein Ferkelchen ab. Bestimmte Duftstoffe machen es möglich. Da das Betreten des Stalls aus tierseuchehygienischen Gründen verboten ist, führt eine schmale Treppe nach oben in die gläserne" Schweinezucht. Ein Touristengag, der uns, auf einer Glasplatte gehend, sozusagen den Schweinen auf den Köpfen rumtanzen ließ. Ihre Trägheit - sie lagen zur Abkühlung im Mist - ließ nur selten ein Grunzen an unser Ohr dringen. Eine insgesamt 3 Monate, 3 Wochen und 3 Tage trächtige Sau hat für ungefähr 5 Wochen ihr eigenes Reich zur Entwicklung des Fötus. 20 Ferkel kann eine gute Sau im Jahr aufziehen. Nach der Führung konnten wir uns von der natürlichen Schweinehaltung mit hofeige-nem Getreide bei einem hervorragend zubereiteten Spanferkel überzeugen.

Ein vom Hofbesitzer gebautes Bauernhofbowlingspiel weckte unsere Aufmerksamkeit. Ein altes Bett mit 2 Stangen, die ein Gefälle nach vorne aufweisen. Beim Auseinanderdrücken der Stangen kommt die Kugel nach hinten. Sie rollt dann, je nach Geschicklichkeit, in Fächer, die ver-schiedene Punktzahlen aufweisen und so der Sieger ermittelt wird.

Ein halbstündiger Fußmarsch führte uns zu einem Biosphärengebiet mit Kräutergarten von Frau Geigle. Mit einer köstlichen Kräuterbowle, selbstgebackenen Kräuterstangen, Kräuterquarkbrot, Kaffee und Kuchen sowie vielen Kräutern zum Schnuppern und probieren wurden wir herzlich empfangen und verwöhnt. Die Kräuterbowle wird mit Apfelsaft angesetzt. Süßdolde (auch Lakritzstaude genannt), Zitronenmelisse, Pfefferminze, Rosen- und Veilchenblüten, Giersch, das ganze mit Zitronenscheiben verfeinert, geben ihr den besonderen, erfrischenden Geschmack. Herrlich, der Duft und Geschmack der vielen Kräuter. Wir erfuhren, dass die von Frau Geigle gezüchteten Kräuter schon sehr alt sind, viele Vitamine und Mineralstoffe besitzen und eine ge-sundheitsfördernde Wirkung haben. Die Pflegezone, so Frau Geigle, bedarf einer besonderen Pflege, weil die alten Bäume sonst absterben. Hier gedeihen viele Beer- und Gemüsesorten, die längst in Vergessenheit geraten sind. Neben seinem Museum vergnügt sich Herr Geigle mit seinen Bienenvölkern. Sie werden artgerecht in einem Bienenhaus gehalten mit 10 Wirtschafts- und 7 Jungvölkern. Die untere Hälfte des Stocks ist der Brutraum. Durch ein Drahtgeflecht kommen nur die Arbeiterbienen. Der Thron und die Königin bleiben im unteren Bereich. Die Honigbienen kommen in den oberen Teil, den Honigraum. Seine Bienen produzieren einen Mischhonig, was bedeutet, dass das eine Volk sich ein Rapsfeld, ein anderes einen Apfelbaumbestand aussucht. Durch die nicht reine Sortenproduktion ist er viel gehaltvoller und kann wegen der kleineren Ausbeute von den Bienen viel besser verarbeitet werden. Der so gewonnene Honig ist viel reifer und trockener, da er wegen der Haltbarkeit eine bestimmte Feuchtigkeit unterschreiten muss. Es war faszinierend, die Bienenvölker in ihrem überdachten Haus arbeiten zu hören. Wenig später saßen wir bei wohlschmeckenden Bieren und selbstgemachtem Kräuterquark in der "Hirsch-Brauerei" Römerstein-Böhringen. Das selten gewordene Plopp der Bügelflaschen erinnerte mich an Zeiten, als es noch die saarländischen Literbomben gab. Es wird nur untergäriges Bier gebraut. Interessant war zu erfahren, dass das in dieser Brauerei hergestellte Radler aus biologischen Gründen mit Diätlimonade gesüßt wird. Denn wenn beim Filtrieren eine Hefe durchgeht und sie kriegt Zucker, vermehrt sie sich "Zitat unseres Regensburger Führers" noch schlimmer wie ein Karnickel. Zucker darf nur verwendet werden, wenn das Radler vor dem Abfüllen erhitzt wird. Eine moderne Abfüllanlage erlaubt die Abfüllung in Bügel-, Schraub- und Kronkorkflaschen. Weiter ging’s in den herrlich kühlen Gärkeller, wo die Würze zu Bier vergoren wird. Es kommt Bierhefe hinzu, die den Zucker, den man aus der Stärke gewinnt, in Alkohol, Kohlensäure und Wärme umwandelt. In Bottichen läuft Eiswasser durch die doppelwandigen Wände. Zwischen 6 und 9 Grad werden zur Vergärung benötigt. Die Handgärung dauert 7 Tage. Hier entscheidet ausschließlich der Gaumen über den Gärprozess. Im Lager und Filterkeller war es noch etwas kühler, gefühlte 2 Grad. Hier wird das Bier reingewaschen. Sekunden später schlug uns die Sudhauswärme entgegen. Aus dem Malz (angekeimtes Getreidekorn) wird ein Melzvorgang angekurbelt. Das Getreide, ca. 1,7 Tonnen, wird geschrotet und mit ca. 6.000 l Wasser angesetzt. Die Maische verzuckert in 10 Minuten. Der Abend war von den Berichten der vielen Eindrücke geprägt.Und Grund zum Feiern gab’s allemal, denn die Nationalelf schlug Argentinien mit 4:0.
Heinz-Peter Engels